Sind Le-Mans-Autos schneller als F1?
Die seit jeher geführte Debatte zwischen Formel-1- und Le-Mans-Autos fesselt Motorsport-Fans weltweit. Während beide Rennklassen die Spitze der Automobiltechnik repräsentieren, unterscheiden sie sich erheblich in Bezug auf Designphilosophie und Leistungsmerkmale. F1-Autos sind schneller als Le-Mans-Hypercars, was Rundenzeiten und Kurvengeschwindigkeit angeht, dank ihres geringeren Gewichts, höheren Abtriebs und etwa 330 PS mehr Leistung.
Allerdings haben Le-Mans-Hypercars auch ihre eigenen Leistungsvorteile. Diese Langstreckenrennwagen beschleunigen tatsächlich schneller als F1-Autos, wobei LMH-Fahrzeuge in unter 2 Sekunden 100 km/h erreichen, verglichen mit 2,5 Sekunden bei der Formel 1. Der Unterschied in der Beschleunigung wird bei höheren Geschwindigkeiten noch deutlicher: Le-Mans-Autos erreichen 200 km/h in etwa 4,5 Sekunden, während F1-Fahrzeuge dafür rund 5 Sekunden benötigen.
Der Geschwindigkeitsvergleich zwischen diesen Rennmaschinen geht über einfache Beschleunigungswerte und Rundenzeiten hinaus. F1-Autos sind für kurze, intensive Renndistanzen gebaut, während Le-Mans-Fahrzeuge dafür ausgelegt sind, über 24 Stunden hinweg Höchstleistung zu bringen. Dieser grundlegende Unterschied in der Zielsetzung beeinflusst alles, vom Fahrzeugbau bis hin zu den Fahreigenschaften, was einen direkten Vergleich komplexer macht, als es zunächst scheint.
Grundlagen von Formel-1- und Le-Mans-Autos
Formel-1- und Le-Mans-Autos verkörpern unterschiedliche Philosophien im Motorsport-Engineering. Jede Kategorie ist für ihre spezifischen Rennformate optimiert. Ihr Design spiegelt die einzigartigen Herausforderungen von Sprint- gegenüber Langstreckenrennen wider.
Designprinzipien und Aerodynamik
F1-Autos verfügen über offene Räder und offene Cockpits, wobei der Fokus auf maximalem Abtrieb für die Kurvengeschwindigkeit liegt. Ihre aerodynamischen Pakete umfassen Front- und Heckflügel, komplexe Unterböden und verschiedene Luftleitstrukturen. Außerdem wird das DRS (Drag Reduction System) eingesetzt, das es Fahrern erlaubt, auf Geraden den Luftwiderstand für Überholmanöver zu verringern.
Le-Mans-Hypercars (LMH) haben geschlossene Cockpits und richten ihren Fokus eher auf aerodynamische Effizienz als auf puren Abtrieb. Diese Fahrzeuge müssen für 24-Stunden-Rennen Geschwindigkeit und Stabilität in Einklang bringen.
Während F1-Autos mehr Abtrieb für Kurvengrip erzeugen, sind LMH-Fahrzeuge in der Geraden effizienter. Dieser Unterschied ist auf die Ausrichtung der Rennformate zurückzuführen – F1 priorisiert Rundenzeiten auf kürzeren Strecken, während Le-Mans-Autos Stabilität und Effizienz für Langstrecken benötigen.
Antriebe und Hybridsysteme
F1-Autos verwenden 1,6-Liter-Turbo-V6-Hybridmotoren mit etwa 1.000 PS. Ihre Hybridsysteme gewinnen Energie beim Bremsen durch Energy Recovery Systems (ERS) zurück und liefern Leistung ausschließlich an die Hinterräder.
Le-Mans-Hypercars bieten variablere Antriebskonzepte mit größeren Hubräumen. Viele setzen Hybridtechnologie ein, wie z. B. Toyotas GR010 Hybrid, das Energie zurückgewinnt und wieder einspeist, um die Leistung zu unterstützen. Im Gegensatz zur F1 sind bei LMH auch Allradantriebe erlaubt.
Die „Balance of Performance“-Regeln der WEC sorgen für ausgeglichene Wettbewerbsbedingungen, indem verschiedene Herstelleransätze angeglichen werden. Das steht im Kontrast zum Entwicklungsrennen der F1, wo Teams innerhalb strenger Regularien stetig die Grenzen verschieben.
Reifen, Betankung und Boxenstrategien
F1 setzt auf Pirelli-Reifen mit geplanter Abnutzung, was zu strategischer Vielfalt führt. Die Betankung ist während des Rennens verboten, wodurch das Kraftstoffmanagement entscheidend wird. Boxenstopps konzentrieren sich auf Reifenwechsel und dauern in der Regel unter 3 Sekunden.
Le-Mans-Fahrzeuge fahren mit langlebigeren Reifen von Herstellern wie Michelin. Diese Reifen müssen mehrere Stints und unterschiedliche Bedingungen über 24 Stunden bewältigen. In der WEC ist das Betanken während Boxenstopps erlaubt, was für andere strategische Überlegungen sorgt.
Langstreckenrennen erfordern ein Gleichgewicht zwischen Leistung und Haltbarkeit. Fahrer müssen Bremsen, Motoren und Getriebe schonen und dennoch ein hohes Tempo halten – im Gegensatz zum Sprintformat der F1, bei dem die Autos über kürzere Distanzen ans Limit gebracht werden.
Vergleich von Geschwindigkeit und Leistungskennzahlen
F1- und Le-Mans-Autos reflektieren unterschiedliche Philosophien im Motorsport-Engineering, wobei jede in spezifischen Leistungsbereichen glänzt. Ihre Geschwindigkeitsfähigkeiten variieren je nach Kennwert und Streckenbedingungen und spiegeln so ihre unterschiedlichen Entwicklungsziele wider.
Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Rundenzeiten
Le-Mans-Hypercars (LMH) beschleunigen meist schneller als F1-Autos, dank ihres Allradantriebs. Dieser bietet bessere Traktion beim Start, was sie in einem Drag Race auf gerader Strecke schneller macht. Ein modernes LMH-Fahrzeug kann unter bestimmten Bedingungen deutlich schneller auf 100 km/h beschleunigen als ein F1-Wagen.
F1-Autos erzeugen rund 1.000 PS aus ihren 1,6-Liter-V6-Hybridmotoren – vergleichbar mit Spitzenwerten bei LMH-Fahrzeugen. Le-Mans-Autos halten jedoch längere Zeit hohe Geschwindigkeiten aufrecht – essenziell für 24-Stunden-Rennen.
In Sachen Höchstgeschwindigkeit überschreiten Le-Mans-Autos auf der langen Mulsanne-Geraden in Le Mans über 340 km/h. F1-Autos erreichen ähnliche oder höhere Geschwindigkeiten – etwa 370 km/h auf High-Speed-Strecken wie Monza.
Abtrieb und Fahrverhalten auf der Strecke
F1-Autos dominieren in der Kurvengeschwindigkeit dank ihrer fortschrittlichen Aerodynamik. Ihr geringes Gewicht (etwa 798 kg) gepaart mit enormem Abtrieb ermöglicht ihnen Kurvengeschwindigkeiten, die Le-Mans-Autos nicht erreichen.
Das aerodynamische Design von F1-Fahrzeugen fokussiert sich auf Kurvenperformance gegenüber der Geraden, mit ausgefeilten Flügelelementen, die massiven Abtrieb erzeugen. Dies verleiht F1-Autos ihr charakteristisches Fahrverhalten in schnellen Kurven.
Le-Mans-Fahrzeuge setzen auf aerodynamische Konzepte, die auf Effizienz und Stabilität über längere Distanzen ausgerichtet sind. Durch das höhere Gewicht (ca. 1.030 kg) und geschlossene Cockpits sind sie weniger agil, aber stabiler während längerer Einsätze.
Schnellste Runden und bemerkenswerte Rekorde
F1-Autos erzielen auf gemeinsamen Rennstrecken durchweg schnellere Rundenzeiten. Auf dem Circuit de Spa-Francorchamps, wo beide Serien antreten, sind die F1-Qualifying-Zeiten meist 10–15 Sekunden pro Runde schneller als jene der Le-Mans-Hypercars.
Lewis Hamiltons Pole-Runde in Spa 2020 war fast 10 Sekunden schneller als die beste LMH-Quali-Zeit. Diese Differenz zeigt die Überlegenheit der F1 in reiner Rundengeschwindigkeit auf identischem Kurs.
Toyotas GR010 Hybrid, Porsches 963 und Ferraris 499P verkörpern aktuelle Le-Mans-Hypercars. Obwohl sie das Tempo der F1 nicht erreichen, brillieren sie in Beständigkeit und Ausdauer.
Alpine und Ferrari sind in beiden Disziplinen aktiv und stellen fest, dass die technischen Unterschiede zwischen den Kategorien unterschiedliche Fahrtechniken und Fahrzeugabstimmungen erfordern. Unterschiedliche Reifenmischungen und Motormodi verstärken die Leistungsunterschiede zwischen diesen beeindruckenden Rennmaschinen.
Langstrecke versus Sprint: Rennstrategien und Formate
F1- und Le-Mans-Rennen folgen grundlegend verschiedenen Wettbewerbsansätzen, mit abweichenden Zeitstrukturen, Betankungsregeln und Teamzusammensetzungen, die beeinflussen, wie Teams an jedes Event herangehen.
Unterschiede in Renndauer und -distanz
Ein Formel-1-Grand-Prix dauert typischerweise rund 2 Stunden und umfasst etwa 305 Kilometer. Die Fahrer treiben ihre Fahrzeuge über diese relativ kurze Distanz ans absolute Limit, mit Fokus auf maximale Performance in jeder Runde.
Im Gegensatz dazu stellt das 24-Stunden-Rennen von Le Mans den ultimativen Härtetest dar: Dort wird ein ganzer Tag und eine Nacht durchgehend gefahren. WEC-Rennen umfassen enorme Distanzen; Siegerfahrzeuge in Le Mans legen häufig über 5.000 Kilometer zurück.
Diese krasse Differenz in der Dauer stellt völlig andere technische Herausforderungen dar. F1-Autos sind auf reine Geschwindigkeit über kürzere Distanzen ausgelegt, während Le-Mans-Fahrzeuge Leistung und Zuverlässigkeit über 24 Stunden vereinen müssen.
Auch die Qualifying-Formate unterscheiden sich stark. Die F1 verwendet ein Knockout-System über mehrere kurze Sitzungen, während Le Mans das „Hyperpole“-Format nutzt, bei dem die schnellsten Autos um die Pole fahren.
Boxenstopp-Taktiken und Betankung
Die F1 verbot 2010 das Nachtanken, wodurch Teams das Rennen mit einer einzigen Tankladung absolvieren müssen. Boxenstopps konzentrieren sich auf Reifenwechsel unter 3 Sekunden.
Le-Mans-Stopps sind deutlich komplexer. Fahrzeuge müssen während des Rennens betankt werden, wobei strenge Regeln gelten. Auch Reifenwechsel, Fahrerwechsel und Reparaturen erfolgen bei diesen längeren Stopps.
Strategisch unterscheiden sich die Boxenzyklen erheblich. F1-Teams planen möglichst wenige Stopps zur Positionssicherung. Im Gegensatz dazu erstellen Langstreckenteams komplexe Rotationspläne unter Berücksichtigung des Kraftstoffverbrauchs, Reifenverschleißes und der Fahrerermüdung.
Nachtrennen in Le Mans bringen zusätzliche Anforderungen wie zusätzliche Beleuchtungssysteme und besondere Sichtbedingungen bei Boxeneinfahrten und Fahrerwechseln mit sich – Aspekte, die der F1 fernliegen.
Fahrerbesetzungen und Kategorisierung
In der F1 fährt nur ein Fahrer pro Auto über die gesamte Renndauer, was extreme körperliche und mentale Belastung in einem zwei- bis dreistündigen Sprint bedeutet.
Le Mans setzt auf Mehrfahrer-Teams, meist drei Fahrer, die sich während der 24 Stunden abwechseln. Das bringt sowohl Vorteile als auch Herausforderungen in Bezug auf Kompromisse bei der Abstimmung und das Management der Übergänge mit sich.
Die WEC verwendet ein Kategorisierungssystem, das Fahrer in Bronze, Silber, Gold oder Platin einteilt – basierend auf Erfahrung und Erfolgen. Manche Klassen schreiben bestimmte Kombinationen dieser Kategorien vor, um die Wettbewerbsbalance zu erhalten.
Viele Fahrzeuge im Langstreckenrennen müssen mindestens einen Amateur-Rennfahrer (Bronze) einsetzen, was zu einem Mix aus Profis und Nicht-Profis im selben Fahrzeug führt. Dies bringt einen strategischen Aspekt mit sich, der in der reinen Profi-Welt der F1 fehlt.
Teamkoordination ist im Langstreckenrennen entscheidend, besonders bei Fahrerwechseln und bei kontinuierlichem Feedback zum Fahrzeugzustand über längere Zeiträume hinweg.
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Übersetzung aus dem englischen Artikel “Are Le Mans Cars Faster Than F1?“